Hallo
Hier ein text über eine von meine persönliche praktikum erfahrung...Er ist auch in der letzte Schwarze Katz der FAU Bern publiziet worden:
http://www.faubern.ch/_texte/Schwarzi%20Chatz_6.pdf
Bringt nicht viel aber vielleicht ist ja gut wenn andere PraktikantInnen merken dass es auch andere in der Selben scheisse hat und darum könnt man vielleicht doch etwas machen.
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Billig und belastbar
Ein Erfahrungsbericht aus dem Sozialwesen
Für meine Ausbildung im sozialen Bereich war ich mehrmals Praktikantin. Zweimal ziemlich lang am selben Arbeitsort (je ein Jahr). Die beiden längeren Praktika waren an verschiedenenArbeitsorten, in verschiedenen Kantonen und in verschiedenen Sprachen, aber eigentlich war es sehr ähnlich. Ja, es war sehr interessant, ich habe viel nützliches für meinen Beruf gelernt und hatte fast immer einen sehr guten Kontakt zu den BesucherInnen der Institution.
Das war die gute Seite. Weniger lustig war, dass – obwohl offiziell nicht vollständig Ausgebildete nicht zum Team gezählt werden – ich inoffiziell sehr wohl als Arbeitskraft angesehen wurde und galt. Aber irgendwie als Arbeitskraft mit weniger Wert. Ich musste zum Beispiel die ganze Zeit, wenn jemand etwas fragte, nacher noch diplomierte Leute fragen um sicher zu sein. Bezahlt war ich auch ziemlich schlecht. Es gibt keine Regeln aber ich habe je nach Praktikum von Löhnen von 700.- bis 1300.- gehört. Ich selber bekam ca. 1100.- bezahlt. Wenig ist dies, weil ich wie andere auch 42 Std/Woche tätig war und eigentlich auch voll als Arbeitskraft zählte. Dazu habe ich ein gutes Beispiel. Nach einer üblen Geschichte wurde die Lehrerin, in deren Sonderklasse ich arbeitete, plötzlich krank (eigentlich wegen Mobbing aber das erzähle ich später).
Eine Sonderklasse ist eine Klasse, die spezialisiert ist auf die Ausbildung von Menschen mit Lernschwierigkeiten
(z.b geistige Behinderung). Unsere hatte 5 Schüler und weil das intellektuelle Niveau unserer Schüler sehr
unterscheidlich war, hatten wir viel Einzelunterricht. Wir waren zwei Praktikantinnen und eine Heilpädagogin.
Das bedeutet also, dass eine genaue und gute Organisation nötig war.
Die Lehrerin war krank – aber niemand von der Abteilung konnte uns sagen warum und für wie lange. Die Abteilungsleiterin kam einfach eines Morgens und sagte: „Frau X ist krank. Ich habe es zu spät erfahren, um eine Aushilfe zu bestellen. Ist das ok für euch?” Und dann kamen noch tausende „Tut mir leid”, „Ihr seid super”, „fragt, wenn es nicht geht” und ähnliche Sätze.
Vielleicht denkst du, wir hätten einfach nein sagen können? Aber nein sagen ist viel, da du als Praktikantin unsicher bist. Du willst alles gut machen, damit die Leute dich anerkennen und du willst stolz sein auf das, was du gemacht hast. So haben wir „OK” gesagt, „kein Problem.” Der Tag war stressig, denn wir mussten in 15 Min. an diesem Morgen das ganzes Programm umstellen, so dass die Arbeit, die wir gewöhnlich zu dritt machten, zu zweit möglich war. Die Jugendlichen waren auch gestresst durch diese Neuigkeit.
Am nächsten Tag war es wieder so, und dann die ganze Woche. Dann kam plötzlich eine Aushilfe, Frau B. Das war gut, weil es uns ein bisschen entlastete. Leider war diese Frau B. zwar diplomiert, aber sie kannte unsere Klasse nicht und hatte Mühe, mit Jugenlichen, die eine geistige Behinderung haben, zu arbeiten. So mussten wir, die Praktikantinnen, sie zuerst einarbeiten und das Tagesprogramm machten auch gleich immer wir.
Spardruck und Mobbing
Wir fingen uns an zu fragen ob das normal ist. Ob es so richtig war, so zu arbeiten, mit der
grossen Verantwortung und diesem geringen Lohn. Frau X kam dann kurz wieder, aber es ging nicht sehr lange bis sie wieder zu Hause bleiben musste. Dann hatten wir genug vom Stress und von einer nichtrichtigen Ausbildung. Frau B., die wieder in unsere Klasse kam, war super. Sie riskierte als Aushilfe fast nichts und ging als erste zu der Abteilungsleiterin. Sie sagte, dass sie das Benehmen der Institution uns gegenüber nicht OK fand. Als wir zweiselber gingen, war plötzlich schon alles geregelt und wir bekamen ein bisschen mehr Lohn. So hatten wir wenigstens das Geld „züruck” bekommen, aber psychisch war es nicht besser. Uns wurde immer nur gesagt „Frau X ist krank”.
Aber wer kann nur an so etwas über Wochen glauben. Sogar unsere SchülerInnen fragten die ganze Zeit, was los war. Zum Glück hatten wir, trotz Verbot, Kontakt mit Frau X. Sie erklärte uns alles: Nach einem unbezahlten
Urlaub von einem Jahr war sie in unsere Klasse gekommen. Kurz danach, etwa 1-2 monate später, fingen
die Gespräche mit der Leitung an. Sie wollten ihre Kündigung. Als sie nach den Gründen fragte, wurde ihr geantwortet, dass sie mit 55 „zu alt” sei, sie sei „nicht mehr motiviert” (dies fand die Vizedirektorin, die wir eigentlich nie in unsere Klasse sahen!) und noch weitere solche Beleidigungen bekam sie zu hören. Frau X. vermutete eine persönliche Geschichte gegen sie.
Von unsere Seite war das alles TOTAL falsch, aber uns fragte ja niemand... Ich habe noch nie soviel gelehrnt, wie mit ihr. Sie war super zu uns und „Spezialistin” in einer Methode, die mich sehr interessierte. Zudem hatte sie auch sehr guten, menschlichen Kontakt mit den SchülerInnen. Wirklich: Wir konnten und ich kann es mir bis heute nicht vostellen, aus welchen Gründen – ausser persönlichen – sie kündigen sollte. Vielleicht kostete sie für den Betrieb zu viel und sie wollten lieber einE jungE neuE ausgebildete LehrerIn (von denen es in diesem Betrieb immer viele hatte...) einstellen.
Ich habe das Gefühl, dass heute (auch) im Sozialen nur noch ein sparendes Management namens „New Management” gefragt ist und nicht mehr eine gute Begleitung und Ausbildung von Menschen, die mehr
Hilfe brauchen als andere.
Wie kann man sich wehren ?
Zu dieser Zeit war ich wirklich hasserfüllt.Ich sah den Scheiss passieren und konnte nichts machen.
Wir hatten zum temporären Verbot, Kontakt mit der Lehrerin zu haben, auch eine spezielle Klausel, die uns verbot vom Betrieb und den SchülerInnen zu sprechen. Dazu ist die Stelle einer Praktikantin quasi nicht gesichert und es hat genug andere, die ein Praktikum für eine Schule brauchen und bereit sind, 6-12 Monate für diesen lächerlichen Lohn den Mund zu halten. Dazu kommt auch, dass die Arbeit an sich eigentlich interessant und für die Ausbildung eine super Erfahrung ist. Na ja, dies war nur eine Erfahrung, aber ich bin sicher, dass das kein Einzelfall war. Das, was ich mich frage ist: Wie können wir uns wehren? Bei PraktinkantInnen ist es ja schwierig, weil die Leute im Gegensatz zu Lehrlingen, die sich in der Berufschule treffen können, keinen Kontakt untereinander haben. Dazu kommt ja, dass es normalerweise nicht so viel PraktikantInnen im selben Betrieb hat. Also, was tun?? Manchmal haben wir gedacht, dass wir die Medien informieren könnten. Aber welche Medien würden so etwas anhören und bringen? Was wäre mit der Schweigepflicht?
Frau X. hat Glück gehabt: Mit 55 fand sie eine neue Stelle in einer anderen Schule! Es kann also nicht sein dass
sie nicht mehr motiviert ist. So konnte Frau X. mit einem Lächeln ihre Kündigung der Leitung geben. Klar ist jetzt nicht alles in Ordnung, aber sie konnte wenigstens erhobenen Hauptes gehen.